Veiko Krauß | Kleines Lexikon zur Evolution


Allel
Ein Allel (eine Variante eines Gens) entspricht einer bestimmten DNA-Sequenz eines Gens. Ein neues Allel entsteht durch Mutation aus einem anderen Allel desselben Gens.
Allel, privates
Ein privates Allel ist eine Variante eines Gens, welche nur in einer bestimmten Population vorkommt.
Art: biologisches Artkonzept
Eine Art wird durch eine Population aus einander ähnlichen Organismen gebildet, welche sich miteinander genetisch austauschen können. Alle Artgenossen passenden Geschlechts können sich zu diesem Zweck miteinander fortpflanzen. Genaustausch (sexuelle Fortpflanzung) zwischen verschiedenen Arten wird durch Kreuzungsschranken ver- oder zumindest behindert.
Assimilation, genetische
Ein zunächst nur selten gezeigter Phänotyp wird unter positiver Selektion zum dominierenden Erscheinungsbild. Grund hierfür sind ein oder mehrere Mutationen, welche einen oder mehrere neue Genotypen erzeugen, die diesen Phänotyp häufiger ausprägen als die bisherigen Genotypen.
Befruchtung, äußere
Eine Form der Befruchtung, bei der sich Tiere zwar paaren, aber nicht kopulieren. Die Eizellen werden vom Weibchen abgegeben, bevor sie befruchtet werden.
Befruchtung, innere
Erfordert bei Tieren eine Kopulation der Sexualpartner. Die Befruchtung der Eier findet nach dem Eindringen der Spermien im weiblich agierenden Tier statt. Infolgedessen obliegt es dem Weibchen, durch die Wahl des Orts der Eiablage die Entwicklung der Nachkommen zu fördern.
Biofilm
Schleime oder Krusten, entstehend durch gemeinsames Wachstum von Mikro- und Kleinorganismen innerhalb sich selbst organisierender, relativ stabiler Schichten auf festen oder flüssigen Oberflächen. Die beteiligten Organismen unterstützen und schützen sich gegenseitig durch umfassende Wechselwirkungen und schaffen sich so gegenseitig förderliche Umweltbedingungen.
Chloroplast
Funktionelle Struktur (Organelle) pflanzlicher Zellen. Hier läuft die Fotosynthese ab, d.h. die Nutzung von Sonnenenergie zum Aufbau organischer Verbindungen. Chloroplasten enthalten eigene Genome.
Chromatin
Das Material, aus dem die Chromosomen bestehen. Chromosomen sind aus einer DNA-Doppelhelix sowie bestimmten Proteinen und RNA-Molekülen aufgebaut. Bestandteile des Chromatins sind selten oder nie ohne DNA in der Zelle zu beobachten.
Chromosom
Ringförmig geschlossener oder mit Telomeren ausgestatteter DNA-Doppelstrang in einer Zelle. Das Chromosom ist fähig zur Replikation und umfasst auch stabil gebundene Proteine und RNA-Moleküle.
Code, genetischer
Der genetische Code beschreibt die Umsetzung aller 64 möglichen Dreierkombinationen (Codons) der vier Nukleotide (4³ = 64) in 20 (in manchen Arten bis zu 22) verschiedene Aminosäuren bzw. in ein Stoppsignal bei der Translation. Da es mehr Codekombinationen (64) als Bedeutungen (23) gibt, haben die meisten Bedeutungen mehrere, alternative Codons. Das wird Degeneration des genetischen Codes genannt. Oft ist das dritte Nukleotid eines Codons daher für die Art der kodierten Aminosäure bedeutungslos.
Crossing-over
Austausch homologer DNA-Abschnitte zwischen den gepaarten Chromosomen während der Meiose. Dient sowohl der stabilen Paarung der homologen Chromosomen als auch der Neukombination ihrer Allele.
Diploidie
Jedes Chromosom liegt bei Diploidie im Zellkern in zwei zueinander homologen Varianten (mit oft unterschiedlichen Allelen derselben Gene) vor. Die Häufigkeit eines solchen, doppelten Chromosomensatzes je Zelle nimmt mit der Zellzahl des Eukaryoten zu. Je eines der homologen Chromosomen stammt — beim Vorliegen sexueller Fortpflanzung — jeweils ausschließlich von der Mutter und vom Vater.
DNA
Desoxyribonukleinsäure (DNS, englisch DNA) ist ein aus Phosphorsäure, dem Zucker Desoxyribose und den Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin aufgebautes, langkettiges Molekül. Es entsteht auf natürliche Weise nur in lebenden Zellen und tritt dort als DNA-Doppelstrang (DNA-Doppelhelix) auf. Das Genom aller Organismen, der Mitochondrien, der Chloroplasten und mancher DNA-Viren besteht aus dieser Form der DNA. Andere DNA-Viren enthalten nur einen DNA-Einzelstrang.
DNA-Methylierung
Ein Wasserstoffatom der DNA-Nukleobasen Adenin, Cytosin oder Guanin kann durch eine Methylgruppe (ein Kohlenstoffatom verbunden mit drei Wasserstoffatomen) ersetzt werden. Die einzige Form der DNA-Methylierung, welche in Eukaryoten regelmäßig vorkommt, findet am fünften Kohlenstoffatom des Cytosin-Rings statt. Die dabei entstehende, modifizierte Base wird 5-Methylcytosin genannt und paart wie Cytosin mit Guanin im Gegenstrang.
Draft, genetischer
Draft beschreibt die Tendenz, dass Allele durch Selektion von auf demselben Chromosom benachbarten Allelen seltener oder häufiger werden. Draft-Effekte sind umso stärker, je verschiedener die Selektion und je schwächer die Rekombination zwischen den beiden Allelen ist. Ein Drafteffekt ist also die Folge der Kopplung von mindestens zwei Genen auf einem Chromosom.
Drift, genetische
Zufällige Änderung der Häufigkeit einer Genvariante (eines Allels) im Laufe der Evolution. Ihr Anteil an den evolutionären Veränderungen einer Art ist umso größer, je kleiner die Population dieser Art ist.
Eizelle
Bevorrateter und unbegeißelter, also weiblicher Gamet. Verschmilzt mit dem Spermium zur Zygote, der ersten (oder einzigen) Zelle eines neuen diploiden Organismus.
Epigenetik
Epigenetik ist ein Zweig der Molekularbiologie, der sich mit dem Chromatin und seinen Veränderungen während des Zellzyklus und der Zelldifferenzierung sowie mit den Auswirkungen dieser Prozesse auf den Phänotyp befasst.
Eukaryot
Lebewesen mit echtem Zellkern, welcher aus Chromatin, Kernplasma und Kernmembran besteht. Im Unterschied zu den Prokaryoten mit frei im Zellplasma schwimmendem Erbmaterial können Eukaryoten auch mehrzellig sein (Pflanzen, Pilze und Tiere).
Evolution
Evolution ist ein durch zufällige Veränderungen (Mutationen) getriebener Prozess mehr oder weniger erfolgreicher Reproduktion (Selektion) genetisch voneinander verschiedener Lebewesen, Viren oder Organellen. Er wird durch Zufälle (genetische Drift) sowie durch die Kopplung von Allelen (genetischer Draft) beeinflusst. Diese Beeinflussung durch Drift und Draft kann durch genetische Rekombination (z.B. bei sexueller Fortpflanzung) zugunsten eines stärkeren Einflusses der Selektion verringert werden.
Expression
Wörtlich "Ausdruck". Ein Gen wird exprimiert, indem es transkribiert (alle Gene) und, wenn möglich (nur proteinkodierende Gene, keine RNA-Gene), translatiert wird. Seine Wirkung drückt sich in seinem Einfluss auf den Phänotyp aus.
Fitness
Die Fitness (relative oder reproduktive Fitness) eines Organismus wird errechnet als Verhältnis der Anzahl seiner Nachkommen zur durchschnittlichen Anzahl der Nachkommen aller Individuen seiner Art. Die durchschnittliche Fitness (Anzahl der Nachkommen) wird üblicherweise gleich 1 gesetzt, sodass z.B. eine Fitness größer 1 eine höhere Nachkommenzahl als durchschnittlich bedeutet.
Fortpflanzung, sexuelle
Vorgang, welcher die Erzeugung von Nachkommen mit genetischer Rekombination verbindet. Die sexuelle Fortpflanzung besteht aus zwei oft zeitlich weit getrennten Vorgängen, (1) aus einer speziellen Form der Zellteilung namens Meiose zur zufälligen Auswahl eines einfachen Satzes von Chromosomen aus einem doppelten Satz sowie (2) aus der Fusion zweier durch Meiose entstandener Zellen in der Befruchtung. Eine Verschmelzung zweier Meioseprodukte desselben Individuums, d.h. eine Selbstbefruchtung, unterläuft die Funktion der Rekombination, sodass im Laufe der Evolution verschiedene Mechanismen zur Vermeidung solcher Kurzschlüsse entstanden. Die verbreitetste Form effektiver Vermeidung von Selbstbefruchtung besteht in getrenntgeschlechtlichen Organismen.
Funktion, biologische
Eine biologische Funktion ist die unterstützende Rolle einer Struktur (z.B. eines Proteins) oder eines Prozesses (z.B. der Meiose) für die Reproduktion eines Organismus.
Gameten
sind haploide Zellen, welche ein diploider Organismus durch Meiose für die Verschmelzung mit den Gameten eines anderen Organismus zur diploiden Zygote bildet. Die verschmelzenden Gameten können einander gleichen (Isogamie) oder voneinander verschieden sein (Eizelle und Spermium).
Gen
Ein Gen ist eine genomische Sequenz, welche vom Transkriptions- bzw. Translationsapparat einer Zelle zur Herstellung eines oder mehrerer funktioneller Moleküle (Proteine oder RNA-Moleküle) genutzt wird. Wenn zur Herstellung verschiedener funktioneller Moleküle einander überlappende DNA-Sequenzen benötigt werden, dann umfasst ein Gen alle diese Sequenzen und kann auf diese Weise als Matrize für mehr als ein funktionelles Molekül dienen.
Gen, springendes
Transposon
Genom
Das Genom eines Organismus ist die Gesamtheit seiner Erbsubstanz. Bei Bakterien sind das meist mehrere DNA-Moleküle sehr unterschiedlicher Größe, die frei im Zellplasma schwimmen. Bei Eukaryoten gehören das Kerngenom (die Chromosomen im Kern) und die relativ kleinen, sich unabhängig von Kerngenom replizierenden DNA-Moleküle der Mitochondrien und der nur bei Pflanzen vorhandenen Chloroplasten zum Genom.
Genomgröße
Wird in Nukleotiden (einfacher Nukleinsäurestrang) oder Basenpaaren (Doppelstrang) der DNA oder RNA angegeben. 1000 Basenpaare sind ein Kilo-Basenpaar (kb), 1000.000 Basenpaare ein Mega-Basenpaar (Mb), und 1.000.000.000 Basenpaare ein Giga-Basenpaar (Gb).
Genotyp
Der Genotyp ist die Gesamtheit der Erbsubstanz eines Individuums. Man spricht vom Genotyp und nicht vom Genom, wenn (1) die Erbsubstanz eines bestimmten Individuums gemeint ist bzw. wenn (2) die Summe aller Allele eines Organismus und nicht die DNA als Erbsubstanz angesprochen wird. Grundsätzlich bedeuten Genom, Genotyp, Erbsubstanz sowie der leicht irreführende Begriff der Erbinformation jedoch das Gleiche.
Genpool
Der Begriff Genpool beinhaltet die Gesamtheit der Allele einer Population. Das mit diesem Begriff verbundene Modell der Evolution, Populationen könnten aus einer der vielen, jeweils für verschiedene Umweltbedingungen verschieden geeigneten Allelen eines Gens je nach den konkreten Umständen wählen, ignoriert den meist vernachlässigbaren oder nachteiligen Charakter der Funktionsveränderungen der Allele, die unterschiedlichen Wechselwirkungen der Allele untereinander sowie die Kopplung der Gene auf den Chromosomen. Allele existieren nur vorübergehend, weil sie nicht nur durch Selektion, Drift oder Draft verschwinden, sondern auch durch Mutation in neue Allele umgewandelt werden können. Aus diesen Gründen wird die Evolution durch die Wechselwirkung der Evolutionsfaktoren Mutation, Selektion, Drift und Rekombination angetrieben und lässt sich nicht befriedigend als Änderung der Häufigkeit bestehender Allele durch Selektion beschreiben.
Gentransfer, horizontaler
Unter einem horizontalen Gentransfer (auch als lateraler Gentransfer bezeichnet) versteht man die Übertragung eines oder mehrerer danach wieder funktionierender Gene von einer Organismenart zu einer anderen ohne Mitwirkung sexueller Rekombination. Hürden für den erfolgreichen Transfer sind (1) der erfolgreiche Import und Einbau fremder DNA, (2) eine erfolgreiche Expression der Gene in der neuen Zelle und (3) die Wirkung des neuen Genproduktes auf den Organismus.
Genzentrismus
Ansicht, dass Gene die wichtigsten Einheiten der Selektion sind sowie dass Organismen nur ein Mittel der Gene sind, ihre maximale Vermehrung durchzusetzen.
Gute-Gene-Hypothese
Nicht eindeutig abgrenzbare Varianten dieser spekulativen Vorstellung sind die Sexy-Son-Hypothese und die Handikap-Hypothese. Nach Gute-Gene-Hypothesen wird angenommen, dass Weibchen einer Art sich bevorzugt mit Männchen paaren, die Merkmale tragen, welche besonders hohe Überlebens- und Paarungsfähigkeiten anzeigen. Weibchen, welche solche Männchen bevorzugen, sollten demnach durch diese Bevorzugung besonders zahlreich überlebende Kinder haben. Männliche Nachkommen sollten diese väterlichen Merkmale erben. Weibliche Nachkommen sollten die Neigung der Mütter teilen, diese väterlichen Merkmale bei ihrer zukünftigen Partnersuche zu bevorzugen. Diese Hypothesen sind offensichtlich zirkulär, nicht logisch begründbar und konnten empirisch nicht bestätigt werden.
Hamilton-Zuk-Hypothese
Hypothese, nach der die Attraktivität potenzieller Paarungspartner wesentlich von deren Gesundheit (Parasitenfreiheit) bestimmt wird. Auf diese Weise könnte eine Vielfalt von gesundheitsbestimmenden Genen (z.B. Immungene) durch häufigkeitsabhängige Selektion erhalten werden. Diese Vermutung konnte empirisch nicht bestätigt werden.
Handikap-Hypothese
Variante der Gute-Gene-Hypothese, bei der die Nachteiligkeit der die überlegene genetische Qualität des Männchens anzeigenden Merkmale betont wird. Zeigt besonders deutlich die inneren, logischen Widersprüche der Gute-Gene-Hypothesen.
Haplo-Diploidie
Als Haplo-Diploidie bezeichnet man eine Form tierischer Geschlechtsbestimmung, bei der ein Geschlecht nur einen Chromosomensatz trägt (haploid) und das andere Geschlecht — wie bei Tieren allgemein üblich — den doppelten Chromosomensatz (diploid). Typischerweise ist das männliche Geschlecht haploid. Männchen entstehen dann meist aus unbefruchteten Eiern. Man findet die Haplo-Diploidie vor allem bei vielen Insekten, bei Milben und manchen Fadenwürmerarten.
Haploidie
Das Genom haploider Zellen besteht nur aus einem einfachen Chromosomensatz, d.h., die überwältigende Mehrheit der Gene jedes Chromosoms kommt auf keinem weiteren Chromosom vor. Daraus folgt, dass es im Regelfall nur ein Allel jedes Gens im Genom gibt. Im Gegensatz dazu haben diploide Zellen zwei Chromosomensätze.
Hermaphrodit
Ein Hermaphrodit ist ein mehrzelliges Lebewesen, welches gleichzeitig oder periodisch aufeinanderfolgend männliche und weibliche Geschlechtsorgane entwickelt. Im Gegensatz dazu produzieren Zwitter weibliche und männliche Gameten in einem einzigen, zwittrigen Geschlechtsorgan.
Histon
Histone sind evolutionär nur wenig veränderliche Proteine, welche zusammen mit einen Abschnitt der DNA Nukleosomen aufbauen. Sie machen die DNA damit haltbarer und weniger zugänglich. Die Bindung zwischen der DNA (als Säure in wässriger Lösung negativ geladen) und den Histonen (wegen des Reichtums an basischen Aminosäuren in wässriger Lösung positiv geladen) ist stärker als zwischen jedem anderen Protein und der DNA.
Histon-Code
Die Histon-Code-Hypothese besagt, dass Kombinationen verschiedener Histon-Modifikationen durch ein oder mehrere spezifisch bindende Proteine als Signal für bestimmte biologische Prozesse interpretiert werden können. Das ist richtig, der Begriff "Code" führt jedoch in die Irre, da (1) die einzelnen Histon-Modifikationen keineswegs frei, sondern nur in bestimmten bevorzugten Zusammenstellungen miteinander kombiniert werden können, und da (2) die Histon-Modifikationen kooperativ, also abhängig von ihrer Menge, wirken.
Histon-Modifikation
Unter einer Histon-Modifikation versteht man die chemische Modifikation bestimmter Aminosäuren der Histon-Polypeptidkette. Dies geschieht durch Anheftung funktioneller Gruppen wie z.B. Essigsäurereste (Acetylierung), Methylreste (Methylierung) und Phosphorsäurereste (Phosphorylierung). Eine solche Anheftung verändert die Bindungseigenschaften des betroffenen Histones.
Imprinting
Auch paternale Prägung genannt. Damit ist die unterschiedliche Expression von Allelen eines Gens gemeint, welche nicht durch einen Unterschied in der DNA-Sequenz, sondern durch ihre unterschiedliche Herkunft von Mutter oder Vater verursacht wird.
Infantizid
Tötung von Nachkommen der eigenen Art. Die Ursachen sind vielfältig und reichen vom Nahrungserwerb oder vom Brutpflegeunfall bis zum Sexualtrieb und den Drang zur sozialen Dominanz.
Interesse
In der Soziobiologie häufig ausdrücklich oder stillschweigend vorausgesetzte Eigenschaft von Organismen oder sogar Genen. Kein Organismus ohne Bewusstsein seiner selbst kann jedoch ein Interesse an seiner Fortexistenz oder gar an maximal möglicher Vermehrung entwickeln. Es ist nur so, dass nicht oder nicht hinreichend reproduktionsfähige Organismen auf Dauer keine Nachkommen hinterlassen werden, während sämtliche heutigen Lebewesen eine lückenlose, Milliarden Jahre zurückreichende Reihe von Vorfahren haben, also die nötigen Funktionen für ihre erfolgreiche Reproduktion geerbt haben sollten.
Interferenz der Selektion
Selbstbehinderung der natürlichen Selektion durch die benachbarte Lage nachteiliger und vorteilhafter Allele auf demselben Chromosom. Erhöht sich durch neue Mutationen und wird durch die Neukombination (Rekombination) der Chromosomenabschnitte beim Crossing-over verringert. Ohne Sexualität können solche entlastenden Neukombinationen (genetische Last) nur unregelmäßig und mehr oder weniger selten stattfinden.
Kanalisierung
Kanalisierung (Robustheit) bezeichnet die relative Unempfindlichkeit der im Laufe der Entwicklung eingenommenen Phänotypen einer Population von Organismen gegenüber schwankenden Umwelteinflüssen und gegenüber genetischen Veränderungen (Mutationen).
Knospung
Teilung eines Organismus in zwei Organismen, wobei — meist aufgrund unterschiedlicher Größe — ein Mutterorganismus von einem Tochterorganismus unterschieden werden kann.
Kompensation
Kompensierende Mutationen können (1) die Menge überschüssiger DNA verringern, (2) die allmählich an vielen Stellen angesammelten, nachteiligen Sequenzveränderungen wieder rückgängig machen oder (3) diese nachteiligen Veränderungen durch Mutationen an anderer Stelle in ihrer Wirkung abschwächen, beseitigen oder sogar umkehren. Eine Ansammlung genetischer Lasten, vor allem durch die ungenügende Wirksamkeit der Selektion in kleinen Populationen, erhöht die Wahrscheinlichkeit kompensierender Mutationen.
Konflikt, sexueller
Der dialektische Widerspruch zwischen der Notwendigkeit des Zusammenwirkens und eines artspezifisch unterschiedlichen Aufwands der Geschlechter einer Art bei der Zeugung gemeinsamen Nachwuchses (sexuelle Fortpflanzung) erzeugt den sexuellen Konflikt. Abhängig von den konkreten Unterschieden der Gametenausstattung (Oogamie) sowie der möglichen Notwendigkeit von Brutfürsorge bzw. Brutpflege kann dieser sexuelle Konflikt zu umfassenden sexuellen Selektionsvorgängen führen, die auch zahlreiche nicht unmittelbar mit dem Geschlecht verbundene Merkmale der Organismen beeinflussen können (sekundäre Geschlechtsmerkmale).
Kontingenz
Ein kontingenter Sachverhalt ist ein möglicher, aber nicht notwendiger Sachverhalt. Zur Entstehung dieses Sachverhalts haben also notwendige und zufällige Ereignisse beigetragen. Evolution verläuft kontingent, weil ihr Verlauf sowohl vom Ist-Zustand der Organismen (Vererbung) und seiner Umwelt als auch von Evolutionsfaktoren wie z.B. Mutation, Selektion, Drift, Draft und Rekombination abhängig ist und praktisch jeder dieser Einflüsse notwendige und zufällige Komponenten hat. Einerseits wird der weitere Evolutionsprozess daher vom aktuellen Evolutionsergebnis mitbestimmt, ist aber andererseits nicht völlig vorausberechenbar.
Kosten der Sexualität
Bezeichnet den Aufwand, den ein Organismus für seine Sexualität betreibt. Wird häufig als Verdopplung der Kosten der Fortpflanzung angesehen, da zur sexuellen Vermehrung zwei statt ein Elternteil notwendig sind. Der quantitative Begriff "Kosten" ist jedoch nicht sinnvoll, da sexuelle Funktionen wie viele andere Funktionen des Organismus qualitativ einzigartig und daher nicht durch andere bereits verfügbare Funktionen ersetzbar sind.
Kreationismus
Kreationismus heißt die Lehre, nach der die Welt einschließlich aller Lebewesen durch eine individuelle, schöpferische Kraft (Gott) geschaffen worden ist. Sie beruht auf mehr oder weniger wörtlichen Interpretationen heiliger Schriften der Offenbarungsreligionen.
Laktase-Gen
Gen für die Herstellung des Enzymes Laktase, welches Milchzucker (Laktose) in Glukose und Galaktose zerlegt und damit für Säugetiere verdaulich macht. Dieses Gen ist normalerweise nur in Säuglingen aktiv, bleibt jedoch bei der Mehrzahl der Menschen lebenslang tätig. Es ist das derzeit beste Beispiel für einen kulturell vermittelten Selektionsprozess beim Menschen.
Last, genetische
Summe der Wirkungen derjenigen Mutationen, welche trotz nachteiliger Phänotypen an der Entstehung des betrachteten Genoms beteiligt waren. Da Umweltveränderungen wie auch neue Mutationen die Eignung des Genoms neu bewerten können, ist das Ausmaß dieser Last schwer zu messen.
Meiose
Meiose (Reduktionsteilung) ist eine besondere Art der Zellteilung, welche bei Eukaryoten der sexuellen Fortpflanzung vorausgeht. Ausgangspunkt ist eine Zelle mit je einem Satz mütterlicher und väterlicher Chromosomen. Die homologen (gleichartigen) Chromosomen beider Eltern werden dabei gepaart, brechen jeweils an mindestens einer, zueinander homologen Stelle und tauschen gegenseitig diese Bruchstücke aus (Crossing-over). Die entstehenden zwei homologen, nunmehr gemischten Chromosomensätze werden zufällig auf zwei Tochterzellen verteilt. Es entstehen Ei- bzw. Spermazellen mit jeweils einfachem Chromosomensatz, welche sich bei der Befruchtung wieder zu einem doppelten Chromosomensatz ergänzen. Die biologische Funktion dieses Prozesses besteht in der Mischung (Rekombination) des Kerngenoms.
MHC-Komplex
Der Haupthistokompatibilitätskomplex (englisch: major histocompatibility complex, daher MHC) ist eine Gruppe von Genen, die Proteine codieren, welche die Immunerkennung, den Grad der Gewebeunverträglichkeit (Histoinkompatibilität) bei Transplantationen und die immunologische Individualität verursachen.
Mitochondrium
Funktionelle Struktur (Organelle) eukaryotischer Zellen. Hier läuft die Atmung ab, d.h. der Aufbau zellweit transportabler Energieträger durch kontrollierte Oxidation organischer Stoffe. Mitochondrien enthalten eigene Genome.
Monogamie
bezeichnet eine lebenslange exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft zwischen zwei Individuen einer Tierart. Funktionen einer solchen über die sexuell motivierte Partnerfindung hinausgehenden sozialen, aber eventuell auch rein anatomisch vermittelten Paarbindung (z.B. beim Doppeltier) können die Garantie der Befruchtung und die Sicherung der Brutpflege sein.
Mutation
Eine Mutation (Veränderung) ist jede Veränderung des Genoms, welche über die Rekombination von Allelen hinausgeht. In dieser weiten Definition von Mutationen sind Austausche der vier Nukleotide gegeneinander, Deletionen (Verluste) sowie Insertionen zusätzlicher Nukleotide als Punktmutationen eingeschlossen. Ganze Chromosomen können durch Deletionen, Duplikationen, Insertionen und den Austausch von DNA-Abschnitten mit anderen Chromosomen verändert werden (Chromosomenmutationen). Auch Veränderungen der Chromosomenzahl sind Mutationen. So können einzelne Chromosomen wegfallen, dazukommen oder auch ganze Chromosomensätze verlorengehen oder hinzukommen (Genommutationen).
Mutationsrate
Die Mutationsrate ist die Zahl der Mutationen je DNA-Replikation oder Generation eines Organismus. Sie kann auf ein Nukleotid, ein Gen oder ein Genom bezogen werden.
Neandertaler
Der Neandertaler (Homo neanderthalensis) ist eine ausgestorbene Art des Menschen, die während ihrer offenbar zehntausende Jahre andauernden Ausprägung von Kontaktzonen mit dem modernen Menschen (Homo sapiens) auf diesen eine nicht unwesentliche Anzahl eigener Allele übertragen hat.
Nepotismus
Bevorzugung von Verwandten gegenüber anderen Individuen. Nepotismus setzt als kultureller Begriff sowohl die Erkennung von Verwandtschaftsgraden als auch ein Interesse an der Bevorzugung von näher Verwandten voraus.
Nukleosom
Das Chromatin des Kerngenoms der Eukaryoten besteht aus Nukleosomen, die wie Perlen an der Schnur des DNA-Strangs angeordnet sind. Ein Nukleosom besteht aus acht Histon-Molekülen und 147 Basenpaaren DNA. Da die DNA als Säure negativ und die Histone positiv geladen sind, wickelt sich die DNA sehr stabil um den Histon-Molekülverbund. Die Zugänglichkeit der DNA für andere Proteine wird so wesentlich eingeschränkt.
Nukleotid
Ein Nukleotid einer Nukleinsäure (RNA oder DNA) ist ein einzelner Baustein dieser kettenförmigen Moleküle. Er besteht aus je einem Teil-Molekül Phosphorsäure, Ribose (ein Zucker, bei DNA Desoxyribose) und einer der vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil (bei DNA statt Uracil Thymin). In doppelsträngigen Abschnitten der Nukleinsäuren (z.B. in Chromosomen) paart die Base jedes Nukleotids mit einer Base des Gegenstranges und bildet so ein Basenpaar. Cytosin kann nur mit Guanin paaren, während Adenin kann nur mit Uracil (RNA) oder Thymin (DNA) paaren kann. Durch die natürliche Krümmung des so gebildeten Doppelstranges entsteht die bekannte DNA-Doppelhelix.
Ockham's razor
Ockham's razor (deutsch: Ockhams Rasiermesser) ist ein zentrales wissenschaftliches Prinzip und besagt, dass sämtliche nicht unbedingt für die Erklärung eines Sachverhalts nötigen Variablen und Beziehungen außer Acht gelassen werden sollten. Mitunter ist eine Überarbeitung bisherigen Wissens nötig, damit eine möglichst einfache (sparsame) Erklärung für alle Beobachtungen unter Berücksichtigung möglichst weniger Faktoren erreicht wird. Das Prinzip wurde nach dem englischen Mönch William Ockham (1285–1347) benannt, der es als Erster anwandte.
Oogamie
Oogamie bezeichnet die Trennung der einander befruchtenden Gameten in zwei funktionell verschiedene Typen: eine unbewegliche, Vorratsstoffe enthaltende und signalaussendende Eizelle (= weiblicher Gamet) und ein kleines und sich aufgrund der empfangenen Signale der Eizelle aktiv bewegendes Spermium (= männlicher Gamet). Oogamie tritt bei fast allen Tieren, allen Landpflanzen und manchen Algen auf und ist allen Organismen eigen, die zwei Geschlechter zumindest auf Gametenebene ausbilden.
Organismus
Ein Organismus ist eine funktionelle Einheit aus ein oder mehreren, lebenden Zellen, welche sich durch gemeinsamen Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung auszeichnet. Synonyme sind Individuum und Lebewesen.
Paarungstyp
Bei vielen Pilz- oder Algenarten können sich nur haploide Zellen unterschiedlicher Paarungstypen vereinigen, also zur Zygote verschmelzen. Die Ausbildung verschiedener Paarungstypen ist häufig mit der Differenzierung in einen signalsendenden und in einen signalempfangenden Gameten verbunden und hat die Funktion, eine Selbstbefruchtung zu verhindern.
Parthenogenese
Form der Fortpflanzung, bei der Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen entstehen.
Phänotyp
Erscheinungsbild eines Organismus. Gesamtheit der Merkmale eines Organismus.
Plastizität
Variabilität des Phänotyps in Abhängigkeit von den erfahrenen Umweltbedingungen.
Population
Eine Population ist die Gesamtheit der Organismen einer Art, welche in einem geografisch begrenzten Gebiet (Areal) leben.
Populationsgröße
Gesamtzahl der Individuen einer Art.
Prion
Ein Prion ist ein Protein, welches auf eine ansteckende Art und Weise anders als andere ähnliche Proteine gefaltet ist. Es ist in der Lage, an andere Proteine mit gleicher oder ähnlicher Aminosäurezusammensetzung zu binden und sie in ein Ebenbild seiner eigenen Struktur umzuwandeln.
Prokaryot
Lebewesen ohne echten Zellkern, d.h. DNA und DNA-bindende Proteine schwimmen ohne sie umgebende Hülle direkt im Zellplasma. Es gibt zwei Typen von Prokaryoten: Bakterien und Archaeen. Es handelt sich dabei um zwei wahrscheinlich unabhängig voneinander entstandene Grundtypen lebender Zellen. Aus der Aufnahme eines Bakteriums durch eine Archae könnte der erste Eukaryot entstanden sein.
Promotor
Sequenz der Bindestelle der RNA-Polymerase und der Transkriptionsfaktoren an der DNA. Da Zeitpunkt und Häufigkeit des Startes der Transkription die wichtigsten Formen der Regulation der Genaktivität sind, ist die Wirkungsweise des Promotors von entscheidender Bedeutung für die Herstellung von Genprodukten.
Protein
Proteine sind Eiweiße. Sie entstehen durch den Vorgang der Translation über die Aneinanderreihung von 20 verschiedenen Arten von Aminosäuren. Die Reihenfolge dieser Aneinanderreihung wird von der Reihenfolge der Nukleotide einer Boten-RNA (mRNA) bestimmt. Diese Boten-RNA wurde zuvor von dem für dieses Protein kodierenden Gen des Genoms abgeschrieben (transkribiert). Proteine beginnen sich noch während ihrer Translation aus der Kettenform zu einer rundlichen Struktur zu falten. Erst in dieser Form sind sie funktionell.
Punktualismus
Die Theorie des Punktualismus entwickelten die Paläontologen Eldridge und Gould in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie besagt, dass die Phänotypen von Arten sich während der Evolution nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft verändern. Zu dieser Annahme kamen die Autoren durch das Studium der zeitlichen Abfolge der Fossilien. Millionen Jahre lange Phasen relativer Unveränderlichkeit (Stasis) wechseln sich mit schnellen, wesentlichen Veränderungen innerhalb weniger Zehntausend Jahre ab. Ursache dieser Beschleunigungen sind die Bildung neuer Arten durch Teilung von Populationen. Das gilt vor allem für Phänotypen, weniger für Genotypen, deren wesentlich gleichmäßigere Veränderungen nur durch den Vergleich heutiger Genome zu erkennen sind.
Rekombination
Vermischung von Teilen der Genotypen zweier Individuen zu neuen Genotypen. Rekombination dient der Beseitigung nachteiliger Mutationen sowie der Durchsetzung vorteilhafter Mutationen durch Trennung und Neukombination verschiedener Allele von Genomen.
Replikation
Eine Replikation ist die Herstellung eines neuen DNA-Strangs unter Nutzung eines vorhandenen als Matrize sowie verschiedener funktionell spezialisierter Proteine als Katalysatoren. DNA ist nicht fähig, sich selbst zu replizieren. Jeder Zellteilung muss genau eine Replikation des Genoms vorausgehen (Ausnahme: 2.Teilung der Meiose).
Retrotransposon
Transposon, dessen Vermehrung über die Transkription einer RNA-Kopie erfolgt.
Retrovirus
Retrotransposon, welches zusätzlich über eine Proteinhülle verfügt, dadurch auch außerhalb einer Zelle stabil bleibt und eine neue Zelle infizieren kann. Das retrovirale Genom besteht aus RNA, kann aber mithilfe einer Reversen Transkriptase als DNA in das Genom der Wirtszelle integriert werden.
Reverse Transkriptase
Enzym, welches einen DNA-Strang entsprechend einer RNA-Matrize zusammensetzen kann. Diese Reaktion ist eine umgekehrte (reverse) Transkription.
RNA
Ribonukleinsäure (RNS, englisch RNA) ist ein aus Phosphorsäure, dem Zucker Ribose und den Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Uracil aufgebautes, langkettiges Molekül. Es entsteht auf natürliche Weise nur in lebenden Zellen, vor allen beim Vorgang der Transkription. Das Genom der RNA-Viren (dazu zählen Retroviren) besteht aus RNA. RNA-Moleküle können sowohl Matrize für die Proteinbildung (Boten-RNA) sein als auch vielfältige andere Funktionen in der Zelle erfüllen. Diese anderen Funktionen werden jedoch meist von DNA-Molekülen (Erbsubstanz) beziehungsweise von Proteinen (Zellstruktur, Stoffwechsel) erfüllt. Einzigartig ist dagegen die Vermittlungsfunktion der RNA als Boten-RNA.
RNA-Interferenz, RNAi
Ein Teil der RNA wird nach der Transkription nicht zur Translation von Proteinen eingesetzt. Solche RNA-Moleküle haben viele Namen, z.B. ncRNA (non-coding RNA), siRNA (silencing RNA) und miRNA (microRNA). Diese Moleküle werden meist in kleine Stücke zerlegt und bindet dann an komplementäre Abschnitte anderer RNA oder der DNA. Ihre Bindung hat die Stilllegung der Zielmoleküle zur Folge.
Robustheit
Kanalisierung
Selbstläufer-Hypothese
Nach der Selbstläufer-Hypothese (englisch: Runaway oder Sexy Son Hypothesis) verstärkt sich das sexuelle Bereitschaftssignal während der Evolution selbst, seine Verstärkung ist also ein Selbstläufer. Auf diese Weise ist die Entstehung von ausgeprägten Sexualdimorphismen wie etwa des auffälligen Balzgefieders männlicher Hühnervögel erklärbar. Prächtige Erscheinung und auffälliges Verhalten eines Paarungspartners und das Auswahlverhalten des anderen Geschlechts fördern sich nach dieser Hypothese durch die so erreichte schnelle Befruchtung gegenseitig.
Selektion, natürliche
Beschreibt die Beobachtung, dass Transposons, Viren, Organismen und Arten oft keine Nachkommen haben, d.h. ausgelesen (selektiert) werden. Erst wenn eine große Zahl solcher Ereignisse untersucht wird, kann sich zeigen, ob bestimmte Eigenschaften der untersuchten Objekte (z.B. Organismen) negativ oder positiv selektiert werden, was sich durch eine relative Ab- oder Zunahme der Träger solcher Eigenschaften zeigt. Selbst dann ist jedoch eine solche selektierte Eigenschaft nicht absolut positiv oder negativ zu bewerten, da ihr Wert von anderen Merkmalen des Organismus und von einer räumlich und zeitlich variablen Umwelt abhängt. Deshalb ist Selektion gegen eindeutig nachteilige Merkmale wie etwa Unfruchtbarkeit und frühe Letalität sowie zugunsten genetisch einfach zu korrigierender Merkmale wie der Intensität einer Färbung in der Evolution allgegenwärtig und plausibel. Andererseits sind jedoch komplexere Merkmalsveränderungen nicht ausschließlich mit veränderter Selektion aufgrund von Umweltveränderungen, sondern nur mit Wechselwirkungen zwischen den wesentlichen Evolutionsfaktoren Mutation, Selektion, Drift und Rekombination in Zusammenhang mit möglichen Umweltveränderungen zu erklären.
Selektion, sexuelle
Sexuelle Selektion ist eine Form der natürlichen Selektion, die den Erfolg der Befruchtung betrifft. Selektiert werden dementsprechend alle Eigenschaften sexuell aktiver Organismen, welche das Eintreten dieser Gametenverschmelzung beeinflussen.
Selektionstypen
Selektion kann angesichts der tendenziell eher fitnessschwächenden als fitnessstärkenden Mutationen in die gewöhnlich wirkende negative Selektion (gegen seltene, vor relativ kurzer Zeit neuentstandene Allele) und in die seltene positive Selektion (gegen häufige Allele, bedingt durch vorteilhafte Neumutationen) unterteilt werden. Eine Mischform ist die häufigkeitsabhängige Selektion, die sich je nach den gerade herrschenden Umweltbedingungen (z.B. nach den gerade dominierenden Parasiten) zugunsten oder zuungunsten eines bestimmten Allels auswirken kann.
Sequenz
Reihenfolge der Nukleotide eines DNA- oder RNA-Stranges. Sie wird üblicherweise unter Nutzung von Ein-Buchstaben-Abkürzungen der Nukleotide Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G), Thymin (T) und Uracil (U) angegeben.
Sexpilus
Zylinderförmige Struktur, die in der Lage ist, DNA von einer Bakterienzelle in eine andere Zelle der gleichen Art zu übertragen. Die Erbsubstanz, welche zum Aufbau dieses Sexpilus benötigt wird, wird bei dieser DNA-Übertragung in der Regel mit übertragen.
Soziobiologie
Umstrittener Zweig der Biologie, welcher die biologischen Grundlagen des Sozialverhaltens von Organismen untersucht. Problematische Grundannahmen der Soziobiologie sind u.a. die Unterstellung einer Vermehrungsabsicht von Genen bzw. von Organismen zusätzlich zur tatsächlich vorhandenen Fähigkeit zur Vermehrung bei Organismen und Transposons (nicht bei Genen) sowie ihr rein biologischer Ansatz zum Verständnis des menschlichen Sozialverhaltens.
Symbiose
In Mitteleuropa: Zusammenleben von Organismen unterschiedlicher Arten zum gegenseitigen Vorteil. In englischsprachiger Literatur: Alle Formen des Zusammenlebens von Organismen unterschiedlicher Arten.
Teleologie
Lehre, wonach die Natur nach vernünftigen Prinzipien aufgebaut ist. In der Biologie die Vorstellung, dass Bau und Funktion von Organismen zweck- bzw. zielgerichtet ist.
Telomer
Chromosomenenden: Abschließende Struktur eukaryotischer Chromosomen.
Telomerase
Reverse Transkriptase, welche mithilfe einer speziellen RNA-Matrize die durch Zellteilungen verkürzten Telomere wieder verlängert.
Transkription
Abschrift eines Gens zur Herstellung eines funktionellen Moleküls. Entweder entsteht dabei direkt ein funktionelles RNA-Molekül oder eine Boten-RNA (mRNA), welche als Matrize zur Translation eines Proteins dient.
Transkriptionsfaktor
Protein, welches an bestimmte Sequenzen der DNA oder ersatzweise an andere, DNA-bindende Transkriptionsfaktoren bindet und dadurch die Transkription von Genen in der Nähe seiner Bindestelle beeinflusst, d.h. anschaltet, verstärkt, abschwächt oder auch beendet. Es gibt zahlreiche verschiedene Transkriptionsfaktoren in einer Zelle. Meist wirken mehrere verschiedene zusammen, um die Transkription eines bestimmten Gens zu regulieren.
Translation
Vorgang, bei dem die Reihenfolge der Nukleotide einer Boten-RNA in eine Aminosäurenfolge eines Proteins übersetzt wird.
Transposon, springendes Gen
Beweglicher DNA-Abschnitt, der ein oder mehrere Gene enthalten kann und deshalb auch springendes Gen genannt wird. Transposons sind Parasiten eines Wirtsgenoms, das sie nicht verlassen können. Sie können sich nur innerhalb dieses Genoms über neue DNA- oder RNA-Kopien (Retrotransposon) vermehren. Ihre Kopien bauen sich dazu an einer neuen Stelle im Genom ein und verändern (mutieren) damit das Wirtsgenom. Auch wenn Transposons sich selbst nicht mehr kopieren oder an neuer Stelle einbauen können, verbleiben ihre inaktiven Reste noch bis zur völligen Zerstörung durch örtliche Mutationen im Wirtsgenom.
Trockenlufttiere
Tiere, deren Haut nahezu gasdicht ist, um den Wasserverlust an trockener Luft zu minimieren. Der Gasaustausch muss deshalb praktisch vollständig von Lungen oder Tracheen übernommen werden.
Ultradarwinismus
Ansicht, dass Evolution ausschließlich oder doch nahezu ausschließlich durch Selektion angetrieben wird. Vertreter dieser Ansicht sind zugleich häufig der Meinung, dass (1) Gene die wichtigsten Einheiten der Selektion sind, (2) Mutationen an sich noch keine Evolution verursachen, solange sie nicht positiv selektiert werden und (3) Evolution mit im Wesentlichen gleichförmiger Geschwindigkeit abläuft (Gradualismus, Alternativvorstellung zum Punktualismus). Ultradarwinismus wird auch als Adaptionismus bezeichnet. Da alle genannten Ansichten den gegenüber der aktuellen Evolutionsbiologie abweichenden Vorstellungen Darwins entsprechen bzw. seine abweichende Tendenz hinsichtlich der relativen Bedeutung der Selektion sowie der ausschließlichen Wirkung der Selektion auf der niedrigst-denkbaren Ebene (die der Gene) sogar übertreiben, ist der Begriff "Ultradarwinismus" umfassender und besser passend.
Umwelt
Die Umwelt eines Lebewesens ist nicht die Gesamtheit seiner Umgebung, sondern ein Begriff für alle wesentlichen Wechselwirkungen zwischen dem Organismus und seiner Umgebung, d.h., während ein Lebewesen seine Umwelt durch die Art seiner Existenz bestimmt, wirkt diese Umwelt ständig auf das Lebewesen zurück. Die typische Umwelt einer Population wird als ökologische Nische dieser Organismen bezeichnet.
Variation
Variation beschreibt die Unterschiede zwischen den Organismen einer Art. Während Darwin mit dem Begriff Variation offensichtlich die phänotypische Variation, also die Variation der Merkmale ansprach, wird heute der Begriff eher zur Beschreibung des Genotyps eingesetzt. Die genetische Variation entsteht ausschließlich durch Mutationen, wird durch Rekombination umverteilt und durch Selektion, Drift und Draft reduziert.
Verwandtenselektion
Hypothese, welche voraussetzt, das Organismen einschätzen können, welchen Anteil ihrer Allele sie mit welchen anderen Organismen gemeinsam haben. Individuen würden demzufolge andere Individuen, die aufgrund gemeinsamen Allelbesitzes mit ihnen verwandt sind, gegenüber weniger verwandten Individuen unterstützen. Dazu muss außerdem vorausgesetzt werden, dass Organismen ihre Allele möglichst stark vermehren wollen.
Verwandtschaft
Eine Definition scheint überflüssig, allerdings ist der Hinweis angebracht, dass Verwandtschaft in evolutionsbiologischen Zusammenhängen mit zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet wird, und zwar bei sich nichtsexuell fortpflanzenden Organismen ausschließlich im Sinne evolutionärer Verwandtschaft, häufig gemessen in Millionen Jahren seit Trennung der entsprechenden Abstammungslinien. Bei sich sexuell fortpflanzenden Organismen kann aber auch eine familiäre Verwandtschaft, also eine Ähnlichkeit auf höherer Ebene (innerhalb einer Art), gemeint sein.
Zellgedächtnis
Unter einem Zellgedächnis (englisch: cellular memory) versteht man die gewebe- und entwicklungszeitspezifische Modifizierung der Erbsubstanz durch epigenetische Faktoren (DNA-Methylierung, Histon-Modifizierung, RNA-Interferenz). Ein solches Zellgedächnis einer menschlichen Hautzelle fügt z.B. der genetischen Information "Mensch" noch die epigenetische Information "Haut" hinzu. Das Zellgedächnis wird bei normaler Zellteilung weitestgehend übernommen (z.B. Bildung neuer Hautzellen), wird aber bei der Bildung von Ei- und Spermazellen weitestgehend gelöscht. Beide Prozesse sind allerdings noch ungenügend erforscht.
Zufall
Beschreibt das Zusammentreffen zweier Ereignisse, die in keinem kausalen Zusammenhang zueinander stehen. Mutationen sind zufällig in dem Sinn, dass das Zustandekommen einer Mutation nicht von ihrer Wirkung auf das Überleben des betroffenen Organismus sowie seiner möglichen Nachkommen abhängt.
Zwitter
Bei Zwittern werden Gameten beiderlei Geschlechts von einem einzigen Organ (z.B. zwittrige Blüte oder Zwitterdrüse) erzeugt, bei Hermaphroditen besitzt dagegen ein Organismus sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane.
Zygote
Zelle, die aus der Vereinigung zweier Zellen unterschiedlichen Paarungstyps oder Geschlechts, also durch eine Befruchtung, entsteht. Gegebenenfalls wird sie auch als befruchtete Eizelle bezeichnet. Das durch sie repräsentierte einzellige Stadium auch mehrzelliger Organismen ist für diese ein für die geschlechtliche Fortpflanzung notwendiges Entwicklungsstadium.

Veiko Krauß im November 2020